Unerlaubtes Glücksspiel
Die geplante Streichung der §284-§285 des Strafgesetzbuchs
Ein Lichtblick im Tunnel?
In meinem letzten Beitrag, welcher sich mit der Frage nach dem Sinn und Zweck des neuen Glücksspielstaatsvertrages 2021 für Deutschland beschäftigt hat (https://www.casino-forum.net/casino-...aat-nutzt.html) habe ich dargelegt, inwieweit zum Beispiel die Bildung eines Monopols (oder auch Oligopol) für den Staat einen Zweck erfüllen kann unter der Maßgabe, dass Glücksspiel in Deutschland noch immer als „Straftat“ behandelt wird.
In diesem Beitrag soll es darum gehen, welche geplanten Reformen das Bundesministerium der Justiz in Bezug auf die Verbote hinsichtlich der Veranstaltung sowie der Teilnahme an „Unerlaubten Glücksspielen“ vorgesehen hat. Hierbei soll zunächst der „Ist-Zustand“ festgestellt, und wie ich auch hoffe nicht ganz so hölzern dargestellt werden, denn Gesetze haben für den Laien unglücklicherweise häufig nicht nur den faden Beigeschmack eines „nicht verstehen Könnens“, sondern sind in ihrem Wesen oft schwer nachvollziehbar.
Interessant ist zunächst die Tatsache, dass es Verbote in Bezug auf Glücksspiel schon seit so langer Zeit in Deutschland gibt, dass man den Eindruck bekommt, der Staat hat sich schon immer um die „Fürsorge“ seiner Bürger bemüht, was, wie man inzwischen weiß, natürlich nicht so ganz den Fakten entspricht. Wirft man einen Blick zurück in die Geschichte, so wird man in einschlägigen Archiven schnell fündig.
Auf dem Bild hier unten, ist ein Auszug aus dem „Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871“ zu erkennen.
Ich "übersetze" an dieser Stelle von Sütterlin in unsere hergebrachte lateinische Druckschrift, da dieses alte Dokument womöglich unleserlich erscheint:
Fünfundzwanzigster Abschnitt
§ 284. Wer aus dem Glücksspiele ein Gewerbe macht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe von dreihundert bis zu sechstausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann.
Ist der Verurteile ein Ausländer, so ist die Landespolizeibehörde befugt, denselben aus dem Bundesgebiete zu entfernen.
§ 285. Der Inhaber eines öffentlichen Versammlungsorts, welcher Glücksspiele daselbst gestattet aber zur Verheimlichung solcher Spiele mitwirkt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark bestraft.
§ 286. Wer ohne obrigkeitliche Erlaubnis öffentliche Lotterien veranstaltet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft. Den Lotterien sind öffentlich veranstaltete Ausspielungen beweglicher oder unbeweglicher Sachen gleich zu achten.
Es ist dabei erstaunlich, wie wenig sich inhaltlich bis heute verändert hat, legt man den Kontext der Aussagen in den Gesetzen selbst zugrunde. Die § 284/285 sowie 286 des StGB in der Fassung vom 26.07.2023:
§ 284 Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels
(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Als öffentlich veranstaltet gelten auch Glücksspiele in Vereinen oder geschlossenen Gesellschaften, in denen Glücksspiele gewohnheitsmäßig veranstaltet werden.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
1. gewerbsmäßig oder
2. als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(4) Wer für ein öffentliches Glücksspiel (Absätze 1 und 2) wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 285 Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel
Wer sich an einem öffentlichen Glücksspiel (§ 284) beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft.
§ 286 Einziehung
In den Fällen der §§ 284 und 285 werden die Spieleinrichtungen und das auf dem Spieltisch oder in der Bank vorgefundene Geld eingezogen, wenn sie dem Täter oder Teilnehmer zur Zeit der Entscheidung gehören. Andernfalls können die Gegenstände eingezogen werden; § 74a ist anzuwenden.
Dies nur noch einmal zur Erinnerung, dass es sich bei Glücksspiel, sofern nicht explizit behördlich genehmigt immer noch um einen „Straftatbestand“ handelt, welcher nach deutschen Gesetzen geahndet werden kann. Es gibt daher aus Sicht des Gesetzgebers keine „Grauzone“ oder „inoffizielle Erlaubnis“. Solche Falschinformationen stehen des Öfteren in diversen Glücksspielforen und werden immer wieder auf dieselbe faktenwidrige Weise wiedergekäut.
Dass diese Gesetzgebung gleichwohl ziemlicher Unsinn ist, darüber besteht nicht nur unter Spielern Konsens, sondern auch und gerade unter Rechtsexperten, denn man fragt sich natürlich schon, was sich der Gesetzgeber bei all dem gedacht hat, als man Spieler de facto kriminalisiert hat, was mich nun auch direkt zum Thema führt.
Die „Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs“ vom November 2023 spielen dabei eine wichtige Rolle.
In diesem Papier ist festgelegt, welche Paragrafen im Strafgesetzbuch ersatzlos gestrichen werden sollen. Wörtlich heißt es zur Begründung: „Der Koalitionsvertrag enthält den Auftrag, das Strafgesetzbuch systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche zu überprüfen.“ Vereinfacht ausgedrückt bedeutet es, alles, was nicht mehr wirklich gebraucht wird, fliegt raus. Neben verschiedenen hier nicht näher zu nennenden Vorschriften, sollen vier Paragrafen, die das Glücksspiel in direkter Weise betreffen, ersatzlos gestrichen werden:
§ 284 Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels
§ 285 Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel
§ 286 Einziehung
§ 287 Unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder einer Ausspielung
Dies wäre nicht nur wünschenswert, sondern ist seit langer Zeit überfällig, bedenkt man auch, dass durch einen Paragrafen wie etwa § 285 das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die Handlungsfreiheit in grundgesetzwidriger Weise eingeschränkt wird.
Darüber hinaus ist so eine Vorschrift wie etwa ein Verbot der Teilnahme an Glücksspielen nach Auffassung von Rechtsexperten nicht dazu angedacht, ein Rechtsgut zu schützen. Im Klartext, wenn niemand geschädigt wird, weshalb sollte man jemanden Bestrafen der vor allem sich selbst schädigt?
Man kann schon aus rein logischer Sicht niemand bestrafen, der dritten kein Unrecht zugefügt hat, denn es gilt für gewöhnlich die Abwägung, ob es sich bei einer Strafe um den Schutz materieller Rechtsgüter handelt oder nicht.
Nun hier also der Volltext so wie im Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz beschrieben steht:
„Unerlaubtes Glücksspiel – §§ 284 ff. StGB
Die §§ 284, 285, 287 StGB stellen es insbesondere unter Strafe, ohne behördliche Erlaubnis ein Glücksspiel, eine Lotterie oder eine Ausspielung zu veranstalten. Es ist aber kein Rechtsgut
erkennbar, dass die Aufrechterhaltung dieser Strafnormen rechtfertigen würde.
Entsprechende Verstöße können schon heute als Ordnungswidrigkeit gemäß § 28a des
Glücksspielstaatsvertrags der Länder geahndet werden, was nach Maßgabe des Ultima-Ratio-Grundsatzes ausreichend ist. Strafwürdiges Verhalten ist auch künftig strafbar.
Wer ein Spiel manipuliert, macht sich wegen Betruges (§ 263 StGB) strafbar. Daneben kann abhängig von den Umständen des Einzelfalls insbesondere eine Steuerhinterziehung (§ 370 der Abgabenordnung) vorliegen.
Die §§ 284, 285, 286 (Vorschrift zur Einziehung) und 287 StGB sollen daher aufgehoben werden.“
Quelle: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/Eckpunkte/1123_Eckpunkte_Modernisierung_Strafrecht.pdf?__blo b=publicationFile&v=3
Sollten diese Vorhaben des BMJ in die Tat umgesetzt werden, hätte dies weitreichende Folgen (bzw. „Nichtfolgen“) für Spieler und auch Online Casinos.
1. Gewinne, wenn diese nicht in Deutschland entstanden sind, können nicht mehr eingezogen werden.
2. Spieler würden nicht mehr den Status von „kriminellen“ erhalten und könnten auch nicht mehr wegen Spielens in Casinos verfolgt werden sofern diese als „illegal“ betrachtet wären.
3. Offshore Casino Angebote gelten nicht mehr ausnahmslos als „illegal“ da die entsprechende Strafvorschrift im StGB nicht mehr gegeben ist.
4. Staatsanwaltschaften und Gerichte würden durch den Wegfall solcher Bagatellfälle entlastet.
Auch wenn dies alles zunächst sehr gut klingt, sollte man abwarten wie sich die Dinge entwickeln. Der Wegfall oben beschriebener Paragrafen führt nicht unmittelbar dazu, dass man ohne weiteres überall spielen „darf“, denn immerhin gibt es ja noch den Glücksspielstaatsvertrag welcher letztlich als Instrument dient um das Glücksspiel in Deutschland einheitlich zu regulieren, auch wenn dieser sicherlich bis heute streitbar bleibt.
Selbstredend erfährt das BMJ zu diesem Vorstoß entsprechende Widersprüche wie beispielsweise allen voran durch die Deutsche Automatenwirtschaft (DAW), welche sich darauf beruft, dass durch die Streichung genannter Paragrafen unter anderem die „Beschaffungskriminalität“ ansteigen würde.
Es ist natürlich klar, dass solche Argumente nur einen bestimmten Zweck erfüllen, denn man sieht ofrfenkundig seine Felle durch den Eingriff des BMJ wegschwimmen.
Der Deutsche Richterbund sowie die Gewerkschaft der Polizei haben ebenfalls eher unsachliche Bedenken vorgetragen, denn Glücksspiel welches auf Curacao durch die dortigen neuen Aufsichtsbehörden zugelassen wurde ist mitnichten Illegal und schon gar nicht zu jederzeit direkt in Verbindung mit organisierter Kriminalität zu bringen, selbst wenn diese Möglichkeit besteht.
Man sieht wieder einmal aus welchen Richtungen so manche Widersprüche kommen und es sind eigentlich immer dieselben „Verdächtigen“.
Entweder sind es Juristen, Strafverfolger oder es sind unmittelbar betroffene Wirtschaftssubjekte wie etwa Automatenhersteller, denen genügend Gegenargumente einfallen weshalb man Spieler auch bitte weiterhin kriminalisieren möge.
Bleibt im Fazit abzuwarten ob die Vorhaben des Bundesministeriums der Justiz auch umgesetzt werden können, damit sich für Spieler endlich ein paar Lichtblicke hinsichtlich Legalität und Entkriminalisierung aufzeigen.