Mehr als zwei Millionen Deutsche wetten im Netz. Nach geltendem Recht ist das eigentlich verboten. Daran stört sich aber offenbar niemand. Das könnte sich 2009 ändern: Dann endet die bisherige Schonfrist - und Behörden können Anbieter blockieren.
Online-Wetten werden immer beliebter. Ob Fußball, Pferderennen, Tennisturniere, Formel 1 oder Pokern - das Glücksspiel per Mausklick floriert in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Rund 2,2 Millionen Deutsche frönen laut einer Umfrage im Auftrag des Hightech-Branchenverbands Bitkom dem schnellen Glück im Web.
Papier ist geduldig
Dabei sind Online-Sportwetten per Internet ebenso wie Poker-Portale, in denen um Geld gespielt wird, hierzulande verboten. Das sieht jedenfalls der sogenannte Glücksspielstaatsvertrag vor, der seit Anfang 2008 in Kraft ist. Doch Papier ist bekanntlich geduldig - und die Aufsichts- und Kontrollbehörden sind angesichts ihrer dünnen Personaldecke und mangelnder technischer Ausstattung hoffnungslos überlastet und kaum in der Lage, dem Treiben ein Ende zu setzen.
Wie sehr die Behörden hinterher hinken, machen Schätzungen deutlich, die die Forschungsstelle Glücksspiel(Externer Link - Öffnet in neuem Fenster) an der Hochschule Hohenheim jetzt veröffentlicht hat. Dort erforscht man bereits seit 2004 Spiele und Wetten und untersucht das Phänomen unter ökonomischen, sozialen und psychologischen Aspekten.
Die Zahlen, die die Forschungsstelle in Zusammenarbeit mit Insidern der Kriminalitätsbekämpfung veröffentlicht, sind alarmierend. Und sie betreffen nicht nur Sportwetten und Glücksspiel im Internet - das illegale Geschäft mit dem Glück fängt mitunter schon in der Kneipe um die Ecke an. So schätzen die Experten beispielsweise, dass mit Geldspielautomaten, wie sie in vielen Gaststätten und Spielhallen zu finden sind, jährlich knapp sieben Milliarden Euro umgesetzt werden. Bei Razzien stoßen die Ordnungsbehörden immer wieder auf illegale Automaten, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und mehr "abzocken", als sie dürfen.
Es geht um Milliarden
Noch weiter klafft die Schere zwischen legal und illegal erwirtschafteten Umsätzen bei den Sportwetten auseinander: Während das staatliche Angebot einen Umsatz von 300 Millionen Euro verzeichnet, dürfte der Umsatz privater Wettbüros und im Internet zwischen 1,5 und drei Milliarden Euro betragen.
Die unterschiedlichen Auffassungen führen dazu, dass Online-Wetten sich hierzulande im Grunde in einer Grauzone befinden: Während die Bundesrepublik weiter auf ihr Glücksspiel-Monopol pocht, beharren die ausgeschlossenen Anbieter auf ihr Recht der Berufsfreiheit und versuchen, es gerichtlich durchzusetzen. Die Folge davon sind langwierige Prozesse.
Für das blühende Geschäft der Illegalen machen die Experten unter anderem die rechtliche Grauzone verantwortlich, in der sich Online-Wetten bewegen. Denn das deutsche Recht ist nicht unbedingt im Einklang mit dem Europarecht. Während hierzulande der Schutz der Bevölkerung im Vordergrund steht, beharrt die EU auf der freien Dienstleistungs- und Berufsfreiheit und fordert den Zugang der Online-Anbieter zum deutschen Markt. Hinzu kommt der technische Aspekt: Um Online-Sportwetten und andere Internet-Glücksspiele wirksam zu unterbinden, wäre eine Blockade der entsprechenden Webseiten nötig.
Kommt jetzt die chinesische Lösung?
Letzteres könnte schon bald Wirklichkeit werden. Denn am 1. Januar 2009 läuft die bisherige Übergangsfrist ab, die im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehen ist. Von da an können die Kontroll- und Aufsichtsbehörden den Geldinstituten Auszahlungen aus unerlaubtem Glücksspiel untersagen und gleichzeitig die Webseiten von Online-Wettanbietern blockieren, um Online-Wetten endgültig den Garaus zu machen.
ISP-Blocking nennt man dieses Verfahren, bei dem bestimmte Webseiten blockiert werden. Solche Methoden kennt man bisher eigentlich nur aus China, wo von staatlicher Seite aus politisch unliebsame Seiten kurzerhand ausgeblendet werden, um der eigenen Bevölkerung den Zugriff darauf zu verwehren.
Hoher Verwaltungsaufwand nötig
Doch das Verfahren hat einen gewaltigen Haken: Für eine wirksame Blockade von Online-Anbietern wäre ein riesiger Verwaltungsapparat nötig, wie Professor Tilman Becker, geschäftsführender Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel gegenüber heute.de erklärt. Wegen der unklaren Rechtslage müsse man zudem mit mehrere Jahre dauernden Rechtsstreits rechnen.
Auch andernorts hätte die chinesische Lösung weitreichende Konsequenzen. Denn für eine wirksame Blockade sind vor allem die Internet-Zugangsanbieter gefordert. Auf sie käme die schwierige Aufgabe zu, die entsprechenden Webseiten auf Anordnung der Behörden hin zu blocken, was zusätzliche Kosten verursacht.
Letzen Endes wäre die geplante Notbremse in Sachen Online-Glücksspiel aber vor allem eines: eine Zensur des Internets. Ob sie in der vorgesehenen Art und Weise durchführbar ist, darf bezweifelt werden - jeder halbwegs versierte Internetnutzer ist heute in der Lage, mithilfe frei erhältlicher Software eine solche Blockade mit wenigen Mausklicks zu umgehen.
Online-Glücksspiel gesetzlich verboten
Der seit 1. Januar 2008 geltende "Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland" (Glücksspielstaatsvertrag, kurz GlüStV) ist in Sachen Internet-Glücksspiel überdeutlich: Sowohl das Veranstalten als auch das Vermitteln und die Werbung dafür sind verboten. Das schließt die überwiegend vom Ausland aus operierenden Anbieter vollständig vom deutschen Markt aus - und ruft die Europäische Kommission auf den Plan: Sie prüft derzeit, ob das generelle Verbot mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.